Insolvenzrecht

Insolvenzrecht und Insolvenzverfahrensrecht

Wenn man von „Insolvenzrecht” spricht, meint man damit zumeist nur die Vorschriften der Insolvenzordnung. In einem umfassenden Sinne beschreibt der Begriff „Insolvenzrecht” aber sämtliche Regelungen für die Fälle, daß Schuldner ihre wirtschaftlichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können, also insolvent sind. Zum Insolvenzrecht gehört dann zweifellos z.B. auch das Kreditsicherungsrecht, weil der (einzige) Zweck von Kreditsicherheiten darin besteht, dem gesicherten Gläubiger für den Insolvenzfall eine Vorrangstellung gegenüber den anderen Gläubigern des Schuldners zu verschaffen.

Versteht man „Insolvenzrecht” in diesem umfassenden Sinne, ist klar, daß damit nicht nur, vielleicht nicht einmal primär, Insolvenzverfahrensrecht gemeint ist. Es wird dann aber auch deutlich, daß man sich mit "Insolvenzrecht" nicht erst dann beschäftigen sollte, wenn ein Insolvenzverfahren läuft oder bevorsteht.

Wer einen Sinn für begriffliche Feinheiten hat, der kann bereits in dem Gesetzestitel „Insolvenzordnung” angedeutet sehen, daß zu den Zielen eines Insolvenzverfahrens heute zumindest weit mehr als unter Geltung der früheren Konkursordnung die Sanierung gehört – bzw. jedenfalls gehören soll: Der Begriff „Insolvenz” setzt beim Schuldner an und beschreibt den Umstand, daß er seine Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann. „Konkurs” (von lat. concurrere) hingegen ist seiner Wortbedeutung nach und bildlich gesprochen das Zusammenlaufen der Gläubiger vor dem Tor ihres gemeinsamen Schuldners, der ihre Forderungen nicht mehr erfüllen kann. Das Wort „Konkurs” beschreibt also die Beziehung der Gläubiger untereinander, „insolvent” den Zustand des Schuldners.

Mag aus dem „Konkursverfahren” auch das „Insolvenzverfahren” geworden sein, dient es gleichwohl – und entgegen dem in der Öffentlichkeit oftmals erweckten Eindruck – weiterhin in aller erster Linie der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung – und nicht der Sanierung: Im Insolvenzverfahren wird die Haftung des Schuldners für seine Verbindlichkeiten durchgesetzt. Eine Sanierung kommt stets nur dann in Betracht, wenn sich dadurch für die Gläubiger eine höhere Befriedigungsquote erreichen läßt.

Der Gesetzgeber will – zumindest vorgeblich – Anreize für eine möglichst frühzeitige Insolvenzantragstellung schaffen. Je früher ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, desto größer sei die Chance einer erfolgreichen Sanierung. Das ist im Grundsatz sicher richtig, und doch muß man konstatieren, daß die Geschäftsführer und Gesellschafter, an die der Appell gerichtet wird, früher für eine Insolvenzantragstellung zu sorgen, damit in gewisser Weise verhöhnt werden: Die Sanierung soll ja nicht ihrem Interesse dienen; für sie bleibt in aller Regel auch bei erfolgreicher (übertragender) Sanierung nichts übrig. Der Anreiz, der Geschäftsführern geboten wird, ist die Vermeidung von strafrechtlicher Verfolgung und von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen. Gesellschafter hingegen werden bei Insolvenzverschleppung u.U. sogar belohnt. – Ein Dilemma, wenn man zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter ist.